Fiction-Writing.de Monatsaufgabe November 2004 Thema Satire
LTF-Publishing

Manche lernen es nie?

Sven Bergner

4. Januar 2005
Manche lernen es nie?

Montag Morgen, 10 Uhr und die Woche schien mal wieder kein Ende zu nehmen. Heute war der letzte Abgabetermin für die Monatsberichte und das Telefon klingelte bereits den ganzen Morgen ohne Unterbrechung. Ganz so wie jeden Monat. Manchmal dachte ich darüber nach, dass es wirklich eine Schnapsidee von mir war, diesen Job anzunehmen. Man konnte mich bestimmt nicht gerade leicht aus der Ruhe bringen, aber was zu viel war, war zu viel.

"Kann man denn die Leute keine fünf Minuten alleine lassen?", fragte ich mich selbst. Wegen jeder Kleinigkeit klingelte bei mir das Telefon. Jede einzelne noch so einfache Dialogbox, die man in den meisten Fällen ohnehin nur mit Ok beantworten kann, führte dazu, dass entweder der Apparat auf meinem Schreibtisch oder das Bereitschaftshandy an meinem Gürtel läutete.

Auch wenn ich natürlich mein Geld mit den Wissenslücken meiner Kollegen verdiente, war die Betreuung der Anwender nur ein kleiner Teilaspekt meiner täglichen Arbeit.

In erster Linie hatte ich mich um das firmeninterne Netzwerk zu kümmern. Dazu kamen die tägliche Datensicherung, die Pflege der Internetanbindung und die damit verbundene Überwachung der Firewall.

Das Telefon klingelte erneut. Ich lieÿ es zunächst drei bis vier mal läuten, dann nahm ich den Hörer ab.

Rheinhäuser, PC Support.i, meldete ich mich ordnungsgemäÿ.

"Hallo Herr Rheinhäuser! Schulze hier aus der Personalbuchhaltung. Zimmer 235. Können Sie bitte dringend zu mir kommen?", klang die besorgte Stimme des Anrufers aus dem Hörer, Mein Drucker druckt nicht mehr richtig. Und ich habe nichts gemacht, auÿer heute morgen den Drucker einzuschalten.i

"Na klar!", dachte ich mir mit einem leichten Grinsen auf den Lippen, schon wieder so ein unschuldiger Anwender, der nichts gemacht hat. Wobei er ja selbst zugegeben hat, dass er etwas gemacht hat. Er hatte immerhin den Drucker eingeschaltet.i Ich konnte mir mein Grinsen nicht verkneifen. Ich war froh, dass er mich nicht sehen konnte.

Nach solchen Anrufen fragte ich mich immer, wofür meine lieben Kollegen überhaupt bezahlt wurden, wenn sie mir sowieso immer alle weiÿ machen wollen, dass sie nichts tun. Irgendwas mache ich falsch. Ich muss immer noch jeden Tag arbeiten für mein Geld.

Ich machte mich also auf den Weg zu dem Kollegen Schulze in den zweiten Stock Zimmer Nummer 235. Wer kam eigentlich ursprünglich mal auf die Idee ausgerechnet den PC-Support immer in den Keller zu verbannen? Das muss auf die Zeit zurückgehen, als Computer noch eine Klimaanlage benötigten.

Wenige Minuten später erreichte ich Zimmer Nr. 235 im zweiten Stock unseres Bürogebäudes. Ich klopfte und vernahm von innen ein lautes und deutliches "Herein!".

Ich betrat das Büro und fand einen ziemlich wütenden Kollegen vor seinem Monitor sitzen und sich die wenigen Haare raufen. Ich hoffte für ihn, dass die wenigen Haare nichts mit seinem Ärger über Computer zu tun hatten.

"Wie kann ich Ihnen denn helfen?", begann ich.

"Der Drucker funktioniert nicht.", entgegnete er. "Dieses verdammte Ding weigert sich zu drucken. Ich habe es mehrere Male vergeblich versucht. Und ich muss doch bis heute Mittag meinen Monatsbericht fertig bekommen. Um 15 Uhr ist Abgabeschluss. Das wissen Sie doch selbst."

Klar wusste ich das. Ich hatte meinen Bericht auch bereits am letzten Freitag schon abgegeben. Zumal mir auch bewusst war, dass die Firmenleitung ziemlich sauer werden konnte, wenn man nicht pünktlich seinen Monatsbericht abgab.

"Warum kommen Sie auch immer auf den letzten Drücker?", begann ich meine Strafpredigt. Sie müssten doch eigentlich mittlerweile gelernt haben, dass man nicht so kurz vor Schluss beginnen sollte, da immer mal etwas dazwischen kommen kann. Ist heute nicht gerade das erste Mal, stimmts?i

Da war auch schon das Gröÿte und, da bin ich mir sicher, auch häufigste Problem. Was soll man mit solchen Kollegen machen?

Es kam regelmäßig vor und meistens handelte es sich um die gleichen Probleme bzw. die gleichen Fehler, die die Leute machten.

Es zuckte mir schon ab und zu in den Fingern, die Leute mal so richtig ins Messer laufen zu lassen, in der Hoffnung, dass das zu einem heilsamen Schock führen könnte. Das kann ich natürlich nicht machen. Ich wollte mir nicht nachsagen lassen, dass ich unkollegial sei. Dennoch konnte ich mir so kleine Seitenhiebe nicht immer verkneifen.

"Was haben sie denn gemacht, um ihren Bericht auszudrucken?", fragte ich meinen Kollegen. "Was soll ich denn schon gemacht haben. Ich habe auf das Druckersymbol geklickt und den Abteilungsdrucker ausgewählt. So wie ich das immer mache." "Zeigen sie doch nochmal was sie gemacht haben. Vielleicht kann ich erkennen, was sie falsch machen."

In diesem Moment klingelte das Bereitschaftshandy an meinem Gürtel. Am anderen Ende meldete sich ein weiterer Kollege, der im wesentlichen das gleiche Problem hatte.

Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich eine Lösung für Ihr Problem gefunden habe.i, sagte ich zu Herrn Schulze gewandt, "Im Moment kann ich aber leider nichts machen."

Ich verabschiedete mich, verlies das Zimmer und ging zurück in mein Büro. Unterwegs klingelte mein Telefon noch häufiger und ich gab allen Anrufern die gleiche Auskunft: dass das Problem bekannt sei, aber im Moment leider noch keine Lösung dafür gebe.

Ich fragte mich immer öfter, wer eigentlich den Aberglauben in die Welt gesetzt hat, dass Computer seit der Einführung von grafischen Benutzeroberflächen einfacher geworden seien. Zu den Zeiten von DOS und textorientierten Programmen hatte ich diese Probleme nicht. Gut, da gab es andere Probleme, aber die waren irgendwie beherrschbarer. Die Schulung der Anwender war einfacher und zielgerichteter, als das heute der Fall ist. Hinzu kommt noch die allgemeine Verbreitung von Computern. Fast jeder hat heute einen Computer bei sich zu Hause stehen. Das ist noch nicht so schlimm. Schlimm dagegen ist aber, dass einige Leute deshalb denken, sie wären Computerexperten. Vor allem, da sie ja auch so schnell und einfach ihr Betriebssystem installiert haben. Dass es zufälligerweise schon vorinstalliert war, als sie ihren PC eingeschaltet haben, vergessen die meisten leider.

Ich warf einen flüchtigen Blick auf meine Armbanduhr und stellte überrascht fest, dass ich bereits seit einer Stunde Feierabend hatte. Ich ging zurück in mein Büro und reaktivierte alle Druckerspooler, die ich an diesem Morgen deaktiviert hatte. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, der Genungtuung wieder einen Tag mehr oder weniger erfolgreich hinter mich gebracht und der Hoffnung, dass einige der betroffenen Kollegen etwas aus dem heutigen Tag gelernt hatten, ging ich zu meinem Wagen. Auf den Fluren hörte ich die Abteilungsdrucker, wie sie nacheinander die aufgelaufenen Berichte ausdruckten. Kurz darauf konnte man die Erleichterung der Kollegen vernehmen, die seit heute Morgen auf ihre Ausdrucke warteten.

Jetzt blieb mir nur noch zu hoffen, dass die Kollegen etwas gelernt hatten und nicht im nächsten Monat wieder im letzten Moment ihre Berichte abgeben werden.

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